Mystischer Katechismus

Katechismus 05

Das fünfte Hauptstück: Das Sakrament des Altars (Abendmahl)

Aufbau: FrageLuther sagt (klassische Erklärung) – Wir sagen (mystisch-heilende Lesart).

Wie wir hier sprechen

Gott

Wenn wir hier von Gott sprechen, meinen wir nicht eine übermenschliche Person außerhalb der Welt, sondern den tragenden Grund des Lebens selbst – das, was verbindet, trägt und Sinn ermöglicht.

Jesus / Christus

Jesus verstehen wir nicht als fernes Heilsgeschehen, sondern als Prototyp eines Menschen, der aus dieser Tiefe gelebt hat: frei von Angst, Macht und religiöser Absicherung. „Christus“ bezeichnet hier eine mögliche menschliche Haltung – kein exklusiver Titel.

Heiliger Geist

Der Heilige Geist ist für uns keine eigene göttliche Person, sondern die erfahrbare Bewegung von Lebendigkeit, Erkenntnis und Wandlung – dort, wo Menschen innerlich wach werden.

Hinweis

Luther spricht im Rahmen seiner Zeit und Theologie. Wir lesen mystisch-heilend: nicht als Drohung, sondern als Einladung zu Klarheit, Würde und Liebe.

Inhalt

Das Sakrament des Altars

1 Was ist das Sakrament des Altars?

Luther sagt

Es ist der wahre Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus unter dem Brot und Wein, von Christus selbst eingesetzt, uns Christen zu essen und zu trinken.

(Kurz: Christus schenkt sich in Zeichen, die man empfangen kann.)

Wir sagen

Das Abendmahl ist ein Tisch, an dem niemand beweisen muss, dass er „würdig“ ist. Brot und Wein sind nicht Luxus – sie sind Nähe in einfacher Form. Mystisch gelesen heißt es: Das Heilige will nicht nur gedacht, sondern berührt, geschmeckt, aufgenommen werden. Nicht als Show, sondern als stille Realität: „Du darfst dazugehören.“

2 Was nützt uns solches Essen und Trinken?

Luther sagt

Dass uns in den Worten „für euch gegeben“ und „für euch vergossen“ im Sakrament Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit geschenkt wird; denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit.

Wir sagen

Nutzen ist hier nicht „mehr religiös“, sondern: weniger allein. „Für euch“ ist ein Gegengift gegen Selbstverachtung. Es sagt: Du musst nicht erst heil sein, um Liebe zu empfangen. Du darfst Liebe empfangen, damit Heilung möglich wird. Und manchmal ist genau das der Unterschied zwischen Überleben und Leben.

3 Wie kann leibliches Essen und Trinken so große Dinge tun?

Luther sagt

Essen und Trinken tut’s freilich nicht, sondern die Worte, die da stehen: „für euch gegeben“ und „für euch vergossen zur Vergebung der Sünden“. Diese Worte sind neben dem leiblichen Essen und Trinken das Hauptstück im Sakrament; und wer diesen Worten glaubt, der hat, was sie sagen, nämlich Vergebung der Sünden.

Wir sagen

Große Dinge geschehen, wenn Bedeutung den Körper erreicht. Wir Menschen sind nicht nur Kopf – wir sind Empfangende. Das Abendmahl ist wie eine Botschaft, die nicht im Papier bleibt, sondern „eingeschrieben“ wird: in Atem, Geschmack, Gegenwart. Nicht Brot rettet – sondern die Zusage, die im Brot ankommt.

4 Wer empfängt dies Sakrament würdig?

Luther sagt

Fasten und leibliche Zubereitung sind zwar eine feine äußere Zucht. Aber wahrhaft würdig und wohl geschickt ist, wer den Glauben hat an diese Worte: „für euch gegeben“ und „für euch vergossen“. Wer aber diesen Worten nicht glaubt oder daran zweifelt, der ist unwürdig und ungeschickt; denn die Worte „für euch“ fordern ja eitel gläubige Herzen.

Wir sagen

Würde ist nicht: „ich habe mich im Griff.“ Würde ist: ich komme ehrlich. Es gibt eine Form von Frömmigkeit, die Menschen aus dem Raum drängt – und eine Form, die Raum macht. Mystisch-heilend ist die zweite: Du kommst nicht, weil du fertig bist, sondern weil du Hunger nach Liebe hast.

5 Heilende Praxis: Tisch der Würde

Luther sagt

(Aus dem Geist des Katechismus:) Das Sakrament ist Gabe – und die Gabe will empfangen werden: im Vertrauen auf „für euch“.

Wir sagen

Wenn du heute einen Tisch hast – selbst einen kleinen – dann mach ihn kurz zum „Ort der Würde“: ein Stück Brot, ein Schluck Wasser oder Tee. Und dann sag innerlich nur: „Für mich.“ Nicht als Ego-Nummer, sondern als Gegenmittel gegen Entwertung. Wer sich selbst wieder als würdig empfindet, verletzt andere weniger.

Schlusssatz & Frage

Das Abendmahl ist kein Prüfstand. Es ist ein Tisch, der dich erinnert: Du bist nicht ausgeschlossen. Du bist eingeladen.

Frage: Was wäre heute dein „Brot des Friedens“ – ein Satz, eine Geste, ein stiller Schritt zurück in die Würde?